Wölfe haben es in Niedersachsen schwer

Obwohl das Pilotverfahren der EU gegen Deutschland aktuell noch läuft, in dem die Vereinbarkeit der seit dem Frühjahr geltenden Regelung des § 45a BNatSchG mit EU-Recht seitens der EU-Kommission überprüft wird, und ungeachtet der geäußerten Bedenken der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. und des Landestierschutzverbandes Niedersachsen e.V., hat Niedersachsen nun eine eigene Wolfsverordnung erlassen. Diese geht über die gesetzlichen Regelungen des BNatSchG und die noch strengeren EU-Artenschutzregelungen hinaus, anstatt die als kritisch eingestuften Punkte zu beheben oder zu konkretisieren.

Mit §  5 der Niedersächsischen Wolfsverordnung – Entnahme eines Wolfes zur Vermeidung ernster wirtschaftlicher Schäden – wird vielmehr der Weg bereitet für eine Form der präventiven Wolfsjagd. Die Identifizierung eines schadensverursachenden Wolfes wurde faktisch aufgehoben. Zudem reicht für die Anordnung der Tötung eines Wolfes bereits das zweimalige Überwinden von Herdenschutzmaßnahmen, unabhängig davon, ob es sich um den gleichen Wolf handelt. Den nach der Rechtsprechung des EuGH zwingend erforderlichen Nachweis für eine präventive Jagd, dass ein solches Vorgehen überhaupt geeignet ist, entsprechenden Schäden vorzubeugen, sie auszuschalten oder zu verringern, bleibt der Verordnungsgeber hingegen komplett schuldig.

Neben der Aufweichung dieser wohl als zentral anzusehenden Regelung, der in der Praxis die größte Relevanz zukommen wird, werden aber auch mildere Maßnahmen wie einer Vergrämung bereits im Ansatz ihre Wirksamkeit genommen durch eine massive Verkürzung der Anforderungen. Ein einmaliger Vergrämungsversuch kann per se nicht erfolgreich sein.

Es passt schließlich ins Bild, dass der Verordnungsgeber in letzter Minute auch noch die Anforderungen an Herdenschutzmaßnahmen durch die überraschende Einfügung der Regelung des §  5 Abs. 5 WolfsVO aufgeweicht hat. Danach wird ein fehlender bzw. nicht lückenlos vorhandener Überkletter- oder Untergrabeschutz als unerheblich angesehen, sofern dies für die Überwindung des Zaunes durch einen Wolfs nicht ursächlich war. Da hier im Nachhinein eine Prüfung aussichtslos ist, kann ein unzureichender Schutzzaun, eine Genehmigung zur Tötung eines Wolfes nicht mehr hindern. Die Möglichkeit, eine als erforderlich angesehene Anforderung für einen ordnungsgemäßen Herdenschutz im Einzelfall als unerheblich ansehen zu können, untergräbt die Wirksamkeit von Herdenschutzmaßnahmen.

Dem erklärten Ziel, die Regelungen der §§ 45 und 45a BNatSchG zu konkretisieren und den Vollzug der entsprechenden Regelungen zu vereinfachen, wird die Verordnung aus rechtlicher Sicht damit nicht gerecht. Solche Maßnahmen lenken vielmehr von der dringend erforderlichen Diskussion ab, wie eine friedliche Koexistenz von Mensch und Wolf erreicht werden kann, und verdrehen das Thema Artenschutz in sein Gegenteil, denn Artenschutz bedeutet in erster Linie ein Schutzsystem für den Wolf und nicht vor dem Wolf!

Weitere und nähere Informationen können Sie der anhängenden ergänzenden Stellungnahme zur aktuellen „Niedersächsischen Wolfsverordnung“ entnehmen.

1. Die Stellungnahme der DJGT zum ursprünglichen Entwurf der „Niedersächsischen Wolfsverordnung“: Stellungnahme DJGT

2. Die Stellungnahme des Landestierschutzverbandes zum ursprünglichen Entwurf der „Niedersächsischen Wolfsverordnung“: Stellungnahme Tierschutzverband

In der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. mit Sitz in Berlin setzen sich Juristen aus allen Rechtsgebieten und Berufsgruppen gemeinsam für eine Stärkung und Weiterentwicklung des Tierschutzrechts ein.
Kontakt zu unserer Pressereferentin Jeannine Boatright: j.boatright@djgt.de

Der Landestierschutzverband Niedersachsen e.V. ist die größte Tierschutzorganisation in Niedersachsen und vertritt die Interessen von 78 Mitgliedsvereinen in denen rund 23.000 Tierschützer*Innen organisiert sind.
Kontakt zu unserer Pressereferentin Andrea Wildhagen: andrea.wildhagen@tierschutzniedersachsen.de

Die gesamte Stellungnahme können Sie hier herunterladen: