Kommentar zum Strategiepapier zur Nutztierhaltung

Ein löblicher Plan des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung in Niedersachsen.

Die politischen Akteure in Niedersachsen reagieren auf die weiterhin sinkende Akzeptanz der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Nachdem die Ministerin Barbara Otte-Kinast im April 2018 ihre Pläne für die Zukunft der Nutztierhaltung vorgestellt hatte, präsentiert man nun – drei Jahre später – ein Strategiepapier.

„Mit diesem Strategiepapier zur scheinbaren „Erhöhung des Tierwohls“ bleibt jedoch im Augenblick offen, wie es den betroffenen Tieren nach Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen insgesamt ergeht. Es offenbart schonungslos den Interessenkonflikt des Ministeriums zwischen Tiernutzung und Tierschutz“, so Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes Niedersachsen.

Das Ministerium bekennt sich dazu, Ökonomie, Ökologie und „Tierwohl“ besser als bislang in Einklang zu bringen. Gleichzeitig stellt das Ministerium auch deutlich fest, dass die landwirtschaftliche Nutztierhaltung den gesellschaftlichen Erwartungen nur sehr eingeschränkt gerecht wird und daher in der Folge erheblich an gesellschaftlicher Akzeptanz eingebüßt hat.

Barbara Otte-Kinast und ihr Ministerium bleiben sich jedoch insofern treu, als dass die Vermeidung von negativen Auswirkungen auf die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit in ländlichen Räumen weiterhin im Vordergrund steht. Die Entschärfung der Konflikte zwischen Ökonomie, Ökologie und „Tierwohl“ gerät dabei leider ins Hintertreffen, weil dies unter Beachtung der produktionstechnischen Machbarkeit und ökonomischen Tragbarkeit der Tierhaltung erfolgen soll.

Dazu Ruhnke: „Wir vermissen das Bekenntnis zum Tierschutz und die damit verbundene Forderung an den Bund, die Vorgaben des Tierschutzgesetzes auf die Vereinbarkeit mit dem Staatsziel „Tierschutz“ abzugleichen. Das Ziel lautet: dringende Handlungsnotwendigkeiten im Ordnungsrecht zu verankern. Nur auf diesem Weg würden die zukünftigen Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse der Tiere angepasst und die Planungssicherheit für die Tierhaltung erreicht. Mit dem rechtlich nicht definierten Begriff „Tierwohl“ wird diese Planungssicherheit verfehlt.“

Die durch das Ministerium eingeforderte finanzielle Unterstützung der Nutztierhalter für die Umsetzung der erhöhten Standards in der Tierhaltung wäre zu begrüßen, wenn damit nicht auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Nutztierhaltung subventioniert werden würde. Diese hat wiederum einen maßgeblichen Anteil an der Viehdichte und damit einhergehend den miserablen Haltungsbedingungen der betroffenen Tiere in Deutschland. Darüber hinaus ist bedenklich, dass der nicht nur in Europa gestiegene Fleischkonsum laut einem aktuellen Bericht des Umweltprogrammes der UNO der Hauptgrund für den Verlust an Artenvielfalt und Ökosystemen ist und die Haltung von Nutztieren weltweit der Umwelt ernsthaften Schaden zufügt.

Es bleiben offensichtliche Zweifel, dass das Ministerium tatsächlich eine Reduzierung der in Niedersachsen gehaltenen Tiere anstrebt. Stallumbauten für mehr „Tierwohl“ werden nicht mit einer Reduzierung der Anzahl der Tiere verbunden, sondern lediglich mit einem Verzicht auf Erhöhung der Anzahl der Tiere betrachtet. Hierzu ist anzumerken, dass Gemeinden in Niedersachsen die Bebauungspläne für Industriegebiete erweitern und zusätzlich Entwicklungsflächen ausweisen, um den Neubau von Tierhaltungsanlagen, auch unter „Tierwohlaspekten“, zu ermöglichen.

Aufhorchen lässt, dass eine Stärkung bzw. Förderung der Nutztierhaltung in vieharmen Landesteilen bei gleichzeitiger Reduzierung der Tierzahlen in viehdichten Landesteilen erfolgen soll. Ein Bekenntnis zur Reduzierung der Nutztiere in Niedersachsen insgesamt sieht anders aus.

Unter dem Strich kann sich der Landestierschutzverband nicht des Eindrucks erwehren, dass die Gesamtanzahl der Tiere in Niedersachsen beibehalten und ggf. unter „Tierwohlaspekten“ ausgebaut werden soll. Die damit verbundenen Auswirkungen auf die Umwelt sollen – wenn möglich – auf alle Landesteile in Niedersachsen gleichmäßig verteilt werden. Eine besondere Art des „Lastenausgleichs“, weil noch im letzten Jahr für organischen Wirtschaftsdünger ein Überschuss von über 30.000 t alleine in Niedersachsen festgestellt wurde.

„Erfolgt die Erzeugung tierischer Produkte in Niedersachsen weiterhin im Schwerpunkt unter ökonomischen Gesichtspunkten und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, geht dies zu Lasten der Tiere und insbesondere zu Lasten der Landwirte, die sich dem gesellschaftlichen Wandel stellen. Damit wird das Strategieziel, die niedersächsische Nutztierhaltung in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, verfehlt“, so Ruhnke.