Vor 10 Jahren trat im Land Niedersachsen das Niedersächsische Hundegesetz (NHundG) in Kraft. Im Gegenzug wurde darauf verzichtet, bestimmte Rassen, wie z.B. American Staffordshire Terrier, Bitbull, Rottweiler und Co. – anders als in anderen Bundesländern – auf eine sogenannte Rasseliste zu setzen.
Auf eine Rasseliste zu verzichten, war der richtige Weg, da in der Regel nicht der Hund ein Problem verursacht, sondern „das andere Ende der Leine“ dafür verantwortlich ist. Darüber hinaus wird seitens des Landestierschutzverbandes die Chip- und Registrierungspflicht des Hundes im Zentralen Hunderegister als auch die geforderte Sachkunde zum Führen eines Hundes in Theorie und Praxis als positiv herausgehoben.
Aber: wo Licht ist, ist auch Schatten. Obwohl durch den Landestierschutzverband seit 2016 immer wieder angemahnt, gibt es bis heute keine Durchführungsbestimmungen zum NHundG.
Die daraus resultierende Problematik zeigt sich insbesondere bei Beißvorfällen von Hunden untereinander: viele Landkreise stufen einen Hund, der gebissen hat, auf Grundlage eines Urteils des OVG Lüneburg (Az.: 11ME423/11) als gefährlich ein, ohne den betroffenen Hund zu begutachten und alle Hinweise zum Hergang des Vorfalles mit einzubeziehen. Andere Landkreise wiederum gehen differenzierter vor und berücksichtigen auch die ethologischen Grundsätze.
Eine Rehabilitation des Hundes ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen, auch wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass der Beißvorfall durch das Fehlverhalten der betroffenen Personen und nicht durch den Hund selber ausgelöst wurde, der Hund sich in einer Ausnahmesituation befunden hat, die in der Ethologie des Hundes begründet ist, aber ansonsten keinerlei Aggressivität zeigt oder es sich um eine sogenannte Nachbarschafts-streitigkeit handelt, die eskaliert ist.
Dazu Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes Niedersachsen: „Dadurch haben wir in der Bewertung von verhaltensauffälligen Hunden in Niedersachsen einen Flickenteppich. Die Landkreise vollziehen das NHundG unterschiedlich, mit der Folge, dass ein Hund als gefährlich eingestuft wird und – neben Maulkorb- und Leinenzwang – einen Wesenstest durchlaufen muss. Genau hier liegt jedoch die eigentliche Problematik: ist ein Hund erst einmal als „gefährlich“ eingestuft, trägt er auch im Fall des Bestehens des Wesenstests weiterhin diesen Stempel – sein gesamtes weiteres Hundeleben lang.“
„Davon sind dann auch unsere Tierheime betroffen“, so Ruhnke weiter. „Das Halten eines „gefährlichen“ Hundes muss durch den Landkreis genehmigt werden. Es müssen weitere Vorrausetzungen erfüllt werden, wie z. B. eine praktische Sachkundeprüfung des Halters mit dem betroffenen Hund, die mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Hinzu kommt, dass in allen niedersächsischen Kommunen ein Sondersteuersatz für gefährlich eingestufte Hunde besteht, der in der Regel bei 600,- € beginnt. Im Ergebnis landen diese Tiere häufig in unseren Tierheimen und werden zu Dauereinsitzern, weil eine Vermittlung aus den vorgenannten Gründen gegen null tendiert.“
„Die Zuverlässigkeit eines Hundehalters muss in jedem Fall gegeben sein – somit ist das NHundG richtig. Jedoch ist eine einheitliche Vorgehensweise für die niedersächsischen Hundehalter*Innen längst überfällig,“ zieht Ruhnke Bilanz. „Es müssen seitens des Gesetzgebers Kriterien erarbeitet werden, die das Verhalten eines Hundes nach den ethologischen Grundsätzen bewertet, aber auch ein mögliches Fehlverhaltene des Halters in Betracht zieht.“