Tiertransporte in hochkritische Drittländer

Sehr geehrte Frau Ministerin,
angesichts der aktuellen Berichte durch deutsche Amtsveterinärinnen und deren Dokumentation
eklatanter Tierschutzverstöße bei Lebendtiertransporten auf den Routen nach Usbekistan,
Kasachstan und Südost-Russland, fordern wir Sie verbände-übergreifend auf, sich für eine
umgehende Untersagung der Abfertigung von Zucht- und Schlachtrindertransporten auf diesen
Routen einzusetzen. Daraus muss die notwendige Konsequenz folgen, Lebendtiertransporte in
hochkritische Drittländer in Zukunft generell zu verbieten. Ein derzeit noch mögliches Ausweichen
der Rinderzuchtbetriebe in abfertigende Bundesländer, wie z. B. Brandenburg, muss unterbunden
werden.

Deutliche Worte Ihrerseits, z. B. auf der kommenden Agrarministerkonferenz in Mainz, wären hier
angebracht.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 vom 22. Dezember 2004 (VO(EG) 1/2005) müssen
Rinder bei Langstreckentransporten auf der Straße nach max. 29 Stunden (14 Stunden
Beförderung – 1 Stunde Ruhepause, Tränken ggf. Füttern – 14 Stunden Beförderung) an
bestimmten zugelassenen und der VO (EG) Nr. 1255/97 entsprechenden Entlade- und
Versorgungsstationen (Kontrollstellen, Control posts) abgeladen, gefüttert und getränkt werden
und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten. Das ist Ihnen sicher bekannt. Während
dieser Zeit sind die Tiere in Augenschein zu nehmen und ggf. tierärztlich zu versorgen. Darüber
hinaus sind an diesen Entlade- und Versorgungsstationen Entscheidungen über die weitere
Transportfähigkeit der Tiere zu treffen.

Nach dem EuGH-Urteil vom 23.04.2015 (Az: C-424/13) gelten die Anforderungen der VO (EG)
1/2005 bei einem Langstreckentransport bis zum Bestimmungsort und somit auch im Drittland.
Vom 09. bis 14. August 2019 nahmen die Landestierschutzbeautragte (Hessen) Dr. Martin und die
Amtstierärztinnen, Dres. Hellerich, Herfen und Fuchs, die Kontrollstellen auf den Routen
Usbekistan, Kasachstan und Südost-Russland in Augenschein, um die dortigen Möglichkeiten
einer rechtskonformen Einhaltung der Tierschutzvorgaben zu überprüfen. Den abfertigenden
Behörden waren diese immer wieder benannt worden, gleichwohl deren Existenz in Frage zu
stellen war.
Dem Bericht zufolge existieren weder ausreichend viele Entladestationen, noch waren die
vorhandenen Stationen in einem tierschutzgerechten bzw. einem der VO (EG) Nr. 1255/97
entsprechenden Zustand. Die gesetzlich vorgeschriebenen Entladezeiten zum Ruhen, Bewegen
und Versorgen der Tiere sowie die Sicherstellung von ausreichender Versorgung mit Futter und
Wasser konnten nicht belegt werden.

Ein tierschutz-rechtskonformer Transport im Sinne der VO (EG) 1/2005 ist daher nicht
gewährleistet und muss versagt werden. Das Fazit der Amtstierärztinnen ist vernichtend:
„Tiertransporte auf besagten Routen sind seit vielen Jahren rechtswidrig.

Den Tieren wurden auf solchen Transporten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
systemimmanente langanhaltende und erhebliche Leiden und Schäden zugefügt.“ Die hier
angeführten begutachteten Entlade- und Versorgungsstationen stehen nur beispielhaft für
Tierschutzverstöße auf langen Transportstrecken, die seit Jahrzehnten immer wieder Gegenstand
von Berichten und Dokumentationen sind.
Tierschutzorganisationen und tierärztliche Verbände weisen darauf hin, dass die EUTransportverordnung
(VO (EG) 1/2005) bisher nicht zu den erhofften Verbesserungen geführt hat.
Dies belegen die aktuellen Berichte der Landestierschutzbeautragten Dr. Martin und der
Amtstierärztinnen Dres. Hellerich, Herfen und Fuchs in aller Deutlichkeit.
Daher besteht aus unserer Sicht sofortiger Handlungsbedarf.
Eine rechtskonforme Durchführung von Gemeinschaftsrecht und die korrekte Überprüfung von
Tiertransporten in Drittländer durch die zuständigen Behörden müssen sichergestellt werden.
Aktuell kann die einzige konsequente Entscheidung nur lauten, von weiteren
Ausfuhrgenehmigungen in Drittländer abzusehen, da die zwingend durchzuführende
Plausibilitätsprüfung nach Art. 14 VO (EG) 1/2005 nicht zu dem Ergebnis führen wird, dass ein
Transport abgefertigt werden kann. Denn es sind – jedenfalls in Richtung Usbekistan, Kasachstan
und Südost-Russland – keine adäquaten Versorgungsstationen vorhanden.

Gemeinsam im Bündnis appellieren wir an Sie, den Export von Zucht- und Schlachttieren in
Drittländer außerhalb Europas grundsätzlich und umgehend zu verbieten bzw. sich dafür
einzusetzen, dass die Länder und deren Behörden das Tierschutzrecht ordnungsgemäß ausführen
und Transporte nicht ohne jede Prüfung abfertigen.
Des Weiteren fordern wir das zuständige Bundesministerium auf, in eigener Regie tätig zu werden
und sich selbst vor Ort – mit Unterstützung einer Fachdelegation oder einer Arbeitsgruppe,
bestehend aus unabhängigen Amtsveterinärinnen und Amtsveterinären,
Landestierschutzbeauftragten und Fachreferentinnen und Fachreferenten der Tierschutzverbände
– von den eklatanten Missständen an den Stationen zu überzeugen.
Um dem Staatsziel Tierschutz gerecht zu werden, ist es unumgänglich – ja, es ist sogar Ihre Pflicht
– angesichts der vorliegenden Berichte unverzüglich sowohl eine bundeseinheitliche Lösung als
auch eine Lösung auf EU-Ebene anzustreben und umzusetzen. Dies nicht zu tun bedeutet, das
Leiden und die Qualen zigtausender fühlender Mitgeschöpfe auf ihren Transporten in Drittländer –
wohlwissend um ihre Torturen – weiterhin billigend in Kauf zu nehmen.
Wir hoffen, dass Sie sich im Sinne der Tiere für nachhaltige, verbindliche Lösungen einsetzen
werden und stehen Ihnen jederzeit für fachliche Dialoge zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Bürgerinitiative Lahstedt-Ilsede für Tier, Mensch und Umwelt
Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V.
Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz
Landestierschutzverband Niedersachsen e. V.
Landestierschutzverband Nordrhein-Westfalen e.V.
mensch fair tier
Partei Mensch Umwelt Tierschutz
PETA Deutschland e.V.
PROVIEH e. V.
Tierärzte für Tiere – Dr. vet. Kirsten Tönnies
VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz