Am Donnerstag den 30.01.2025 haben Tierschützer:innen aus ganz Niedersachsen in Hannover dafür demonstriert, dass der Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis90/Die Grünen zur Änderung des Niedersächsischen Jagdgesetzes eingehalten wird und die Tötung von Hunden und Katzen, der Einsatz von Totschlagfallen und die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren beendet wird!
Die Tierschützer:innen standen einer Übermacht von Jäger:innen gegenüber und haben sich wacker geschlagen. Durch viele Bürger:innen die den Weg der Tierschützer:innen kreuzten und nachgefragt haben was eigentlich los ist, haben die Tierschützer:innen viel Zuspruch erhalten. Viele Bürger:innen waren durch den Aufmarsch der Jäger:innen aus ganz Deutschland irritiert, weil sie davon überrascht wurden, wie massiv man sich für die Tötung von Tieren engagieren kann.
Ist die Ausübung der Jagd Arten- und Naturschutz auf Grundlage des Bundesjagdgesetzes und des Bundesnaturschutzgesetzes?
Nein, das Jagdrecht sieht keine Arten- und Naturschutzmaßnahmen vor. Auch im Bundesjagdgesetz wird auf das Bundesnaturschutzgesetz und die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet des Artenschutzes und damit auf die Zuständigkeit der Naturschutzbehörden verwiesen.
Das Bundesjagdgesetz legt fest, dass das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis ist, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege des jagdbaren Wildes verbunden .
Das Bundesnaturschutzgesetz schützt grundsätzliche alle wildlebenden Tiere, indem es u.a. verbietet, diese ohne vernünftigen Grund zu töten, sog. allgemeiner Grundschutz. Für besonders geschützte und streng geschützte Arten müssen die zuständigen Behörden eine Ausnahme vom Tötungsverbot genehmigen. Das Jagdrecht aber erklärt ausgesuchte Tierarten allgemein für einen bestimmten Zeitraum als jagdbar, ohne dass bestimmte weitere Voraussetzungen zur für eine Tötung erfüllt sein müssen. Es können gesunde, kranke oder verletzte jagdbare Wildtierarten geschossen werden. Es können jagdbare Wildtiere geschossen werden, um deren Fleisch zu vermarkten, aber es können auch jagdbare Wildtierarten getötet werden, für die es dann keine Verwertung gibt. Im Jagdgesetz wird im Gegensatz zum Tierschutz- und Bundesnaturschutzgesetz kein vernünftigen Grund zum Töten eines Tieres verlangt. Es muss nur als jagdbare Wildtierart gelistet sein.
Der durch die Landesjägerschaft immer wieder angeführte Arten- und Naturschutz ist somit keine Aufgabe, die sich aus dem Jagdrecht ergibt! Dies erfolgt durch die Landesjägerschaft als ein eingetragener Verein (Naturschutzverband) im Rahmen einer freiwilligen ehrenamtlichen Leistung – wie dies auch durch den NABU oder BUND erfolgt. Aus dieser ehrenamtlichen Tätigkeit ergibt sich jedoch keine rechtlichen Befugnisse zur Anwendung bzw. Auslegung des Jagdrechtes. Hierüber haben die Naturschutzbehörden als Genehmigungsbehörden die Aufsicht.
Worum geht es?
Die Koalitionspartner von SPD und Grünen wollten „die Jagd im Bereich Tierschutz […] weiterentwickeln, und so zu einer höheren Akzeptanz der Jagd beitragen“. Insbesondere sollte der Abschuss von Katzen und Hunden in Niedersachsen beendet und die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Tieren verboten werden. Ein Ansinnen, welches in der heutigen Zeit allein unter ethischen Gesichtspunkten geboten, weidgerecht, sittlich begründet und dem Geist der Gegenwart entspricht, aber auch eine Klarstellung von rechtlichen Regelungen beinhaltet.
Was kritisieren die Tierschützer:innen?
Füchse in Schliefenanlagen sind ständigem Stress ausgesetzt und das, obwohl sie in diesen Anlagen, welche der Ausbildung und (überwiegend) der Leistungsfeststellung von Jagdhunden dienen, ohne weiteres auch durch den Ever-Fox bzw. der Mechanical Mikkel Methode ersetzt werden könnten, welche in skandinavischen Ländern bereits seit Jahren mit Erfolg praktiziert wird.
Ein weiteres Beispiel ist die Ausbildung von Jagdhunden an der lebenden Ente: hier wird die Ente kurzfristig durch eine Papiermanschette flugunfähig gemacht. Diese löst sich im besten Fall im Wasser auf, soweit der Hund die Ente nicht apportiert und sie sich selbst überlassen bleibt. Kurz gesagt – die Ente kann auf Grund der Papierummantelung nicht wegfliegen. Enten, die der Hund aufs offene Wasser vor den Jagenden treiben soll, haben somit keine Chance zur Flucht. Für einen Vogel, dessen Überleben von seiner Flugfähigkeit abhängt, bedeutet das bei seinen meist sinnlosen Fluchtversuchen großen Stress und Todesängste.
Jährlich werden schätzungsweise mehrere tausend Jagdhunde an lebenden Enten geprüft, die extra für diesen Zweck gezüchtet werden. Da pro Hund zu Übungszwecken bis zum Bestehen der Prüfung mehrere Enten auf diese Art und Weise eingesetzt werden, sterben allein für dieses Training vor der eigentlichen Prüfung jährlich ein Vielfaches an Tieren.
Auch hier gibt es mittlerweile bessere und vor allem tierschutzgerechtere Alternativen, indem der junge Hund z.B. gemeinsam mit einem älteren, erfahrenen Hund auf die Jagd mitgenommen wird, so dass er das richtige Verhalten durch Tradieren der Signale und Verhaltensweisen erlernt. In anderen Bundesländern ist die Ausbildung der Jagdhunde an der lebenden Ente aus den o.a. Gründen bereits verboten – mit dem „Erfolg“, dass Jägerinnen und Jäger gern die Entenfänge in Niedersachsen aufsuchen.
Auch hier ist uns z. B. Dänemark voraus: dort wird vornehmlich mit sogenannten Dummies bei der Jagdhundeausbildung gearbeitet und seitens des dänischen Jagdverbandes auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Einsatz vom „kalten Wild“ (eine tote Ente) diese am Vortag tierschutzgerecht getötet werden muss.
Nach dem Tierschutzgesetz ist es verboten, ein Tier auf ein anderes Tier zu hetzen, soweit dies nicht die Grundsätze weidgerechter Jagdausübung erfordern. Da die Ausbildung der Hunde zur Jagd keine weidgerechte Jagdausübung ist, ist diese Art der Ausbildung rein rechtlich betrachtet bereits verboten . Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eine rechtliche Anpassung vorzunehmen.
Auch der Haustierabschuss erschließt partout nicht! So ist der Abschuss von Katzen in NRW und Saarland verboten. In Baden-Württemberg sind die Regel des Bundesnaturschutz-gesetzes anzuwenden. Sogar das Präsidium des sächsischen Landesjagdverbandes hat sich öffentlich gegen die aktive Bejagung verwilderter Hauskatzen ausgesprochen, weil das Risiko des Fehlabschusses der langsam zurückkehrenden Wildkatze durch Verwechselung viel zu hoch ist . Hier wird auf Kastrationsprogramme und auf die Kastrationspflicht für Katzen gesetzt. Die Kastration führt neben der mittel- bis langfristigen Reduzierung von entlaufenen Hauskatzen zudem auch zu einer Verringerung des Bewegungsradius der Katze.
Das Bundesjagdgesetz legt fest, dass das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis ist, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege des jagdbaren Wildes verbunden .
Somit kann das Jagdrecht nur für jagdbare Wildarten angewandt werden. Alle anderen Wildtiere unterliegen dem Bundesnaturschutzgesetz. Das betrifft auch den Jagdschutz. Der Jagdschutz kann somit nur Maßnahmen zulassen, die dem Schutz des jagdbaren Wildes dienen. Der Jagdschutz ist nicht Bestandteil des Jagdausübungsrechts, sondern hat eine ordnungspolitische Funktion. Hieraus ergibt sich auch nicht der rechtliche Auftrag zum Artenschutz, dieser erfolgt ausnahmlos durch die Naturschutzbehörden (siehe oben).
Darüber hinaus erscheint es äußerst fraglich, ob eine Katze überhaupt eine Bedrohung für den jagdbaren Wildbestand darstellt. Eine auf § 23 Bundesjagdgesetz basierende Regelung kann nämlich immer nur dann Anwendung finden, wenn die Katze im konkreten Fall auch tatsächlich jagdbares Wild wildert; typische Beutetiere der Katze sind aber insbesondere Kleinnager, wie Mäuse und Ratten, seltener Singvögel oder Amphibien und Reptilien, die nicht Wild i.S.d. Jagdrechtes sind.
Der Versuch, Katzen in sogenannte verwilderte Hauskatzen ohne Halter und Hauskatzen mit Halter zu trennen und nur letzte von der Tötungsbefugnis auszunehmen, widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2018 zum Auffinden von Haustieren.
Die Tötung einer Hauskatze ist als nicht verhältnismäßig anzusehen, weil dies für das Tier den schwerstmöglichen Eingriff in sein Leben darstellt, mildere Mittel anzuwenden sind und darüber hinaus auch den schwersten Eingriff in die Eigentumsrechte des betroffenen Halters darstellt. Demgegenüber steht, wenn überhaupt, nur ein vergleichsweise geringer Nutzen für das jagdbare Wild. Letztendlich handelt es sich beim Hauskatzenabschuss um eine Tötung ohne vernünftigen Grund, wie er jedoch durch das Tierschutzgesetz eingefordert wird.
Vom Preußische Jagdgesetz 1836 über die Änderung des Jagdrechtes 1849, weiter über das Preußische Jagdpolizeigesetz 1850 zum Reichsjagdgesetz 1934 bis zur Übernahme in das Bundesjagdgesetzes 1953 wurde der Hunde- und Katzenabschuss bis heute unverändert übernommen. Es ist sicherlich an der Zeit, dass Jagdrecht zu reformieren und den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Die Jägerschaft ist aufgefordert sich den aktuellen Veränderungen zu stellen.
Der Landestierschutzverband Niedersachsen e.V. ist die größte Tierschutzorganisation in Niedersachsen und vertritt die Interessen von 84 Mitgliedsvereinen, in denen über 24.500 Tierschützer*Innen organisiert sind.
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