Beendigung der Kastenstandhaltung

Das Bündnis „Kräfte bündeln“ hat einen offenen Brief an die Bundesministerin Julia Klöckner und an alle Landesregierungen versandt. Die Forderung: Beendigung der Kastenstandhaltung für Sauen – Keine Umgehung des Rechts!

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Bundesrat wird voraussichtlich am 5.6.2020 über die 7. Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltung (TierSchNutztV) abstimmen. Medienberichten zufolge sollen sich die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Schleswig-
Holstein auf einen Kompromissvorschlag zur umstrittenen Kastenstandhaltung für Sauen verständigt haben, wonach diese Praxis weiterhin erlaubt sein soll.

Die Anforderung, dass Sauen im Kastenstand in Seitenlage ihre Gliedmaßen ungehindert ausstrecken können müssen, gilt bereits seit 1992. Sie wurde sogar im Jahr 2016 höchstrichterlich bestätigt und dennoch nie eingehalten. Allein dieser Tatbestand wirft bereits grundsätzliche rechtsstaatliche Fragen auf. Nun soll diese Anforderung einfach abgeschafft werden, Sauen
sollen in Zukunft nur noch den Kopf ausstrecken dürfen.


Wieder einmal geht es bei einem politischen Beschluss im Tierschutz weniger um die Belange der Tiere, als vielmehr um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Schweineproduktion – eine Missachtung des Bürgerwillens, wie sie deutlicher nicht sein kann.


Um es nochmal eindringlich zu sagen: die Frage, wie wir Tiere behandeln, ist von hoher gesellschaftlicher Relevanz! Auf die Tatsache, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier einer des Grades und nicht der Art ist, hat bereits Charles Darwin im 19. Jahrhundert hingewiesen. Diese Erkenntnis ist also nicht neu. Aber ehe sie sich mitsamt ihrer ethischen Konsequenzen in Gesetzen, Verordnungen und in der Rechtsprechung nachhaltig durchsetzt, kann es keine Fortschritte im Tierschutz geben.
Gesetze und Verordnungen sind immer auch Spiegel der vorherrschenden Ethik. In welch starkem Maße gesellschaftliche und ethische Paradigmenwechsel den rechtlichen Diskurs, die Rechtsprechung und die Gesetzgebung beeinflussen, zeigte sich zuletzt im Rahmen des Legehennenurteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und der Aufnahme des Staatsziel Tierschutz in das Grundgesetz (GG). Aktuell ist eine Normenkontrollklage zur Schweinehaltung beim BVerfG anhängig.

In Deutschland, das sich des ethischen Tierschutzes rühmt, erhielt jedoch eine Tierhaltungsverordnung Rechtskraft, die das Tierschutzgesetz unterläuft. Als ermächtigter Verordnungsgeber entsprach das Bundeslandwirtschaftsministerium seinerzeit (2001) fast vollständig den Nutzungsinteressen der Agrarlobby und konterkarierte damit in krasser Weise die Vorgaben des Gesetzes.

So entstand ein Spannungsfeld zwischen Verstößen gegen den Tierschutz (bzw. das GG) einerseits und den durch Rechtsverordnung ‚legalisierten‘ Formen potentieller oder konkreter Tiermisshandlung andererseits. Schmerzen und Leiden i.S.v. § 17 TierSchG werden den Tieren also nicht nur durch Missachtung von Normen, sondern auch und vor allem innerhalb des Rahmens von Normen zugefügt. Die per Verordnung normierten Haltungsformen bergen offenkundig vielfältige Potentiale, Schmerzen, Leiden und Schäden bei den Tieren zu verursachen.




Und wie es aussieht, soll sich das auch in Zukunft nicht verändern. Die im Focus der jetzigen Änderung stehende Sauenhaltung in Kästen ist, obwohl nach § 30 Abs.4 TierSchNutztV offenbar als Ausnahme konzipiert, die meistgenutzte Haltungsform beim Abferkeln. In welch hohem Maße diese Haltungsform die Tiere physisch und psychisch traumatisiert, haben wir bereits an anderer Stelle dargelegt.

Das Prinzip Kastenstand ist die Grundlage einer Schweineproduktion in industrieller Form. Es hat die Entwicklung zu Anlagen mit 200, 300, 500, 1000, 5000 und mehr Sauen erst ermöglicht und in der Folge einerseits zu einem massiven Verdrängungs- und Konzentrationsprozess in der Ferkelerzeugung und andererseits zu massiven tierschutzrechtlichen und ökologischen Problemen geführt.

Die geplante Änderung der TierSchNutztV bietet die Chance, endgültig Abstand zu nehmen von der Kastenstandhaltung, wie es andere Länder bereits vorgemacht haben. Ein Verbot wird von der Bevölkerung mehrheitlich gefordert. Generell werden Haltungsformen, die dem Staatsziel Tierschutz nicht entsprechen, gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert.

Selbst in der Empfehlung des Ausschusses für Agrar und Verbraucherschutz (Drucksache 587/1/19) heißt es:

„In Kastenständen entstehen den Tieren Schmerzen und Leiden (Moritz et al., 2016). Aus dieser Tatsache ergeben sich Konsequenzen für die Anwendung von § 2 Tierschutzgesetz. Eine Kastenstandhaltung, die über ein kurzzeitiges Fixieren hinausgeht, verstößt gegen § 2 Nummer 2 ßt gegen § 2 Nummer 2 Tierschutzgesetz (Hirt et al. 2016).


Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung erst vier Jahre nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (3 L 386/14 vom 24.11.2015) einen Vorschlag zur zur Änderung der TierSchNutztV vorgelegt hat. Das Magdeburger Verwaltungsgericht hatte daraufhingewiesen, dass die praktizierte Haltung von Schweinen in Kastenständen seit Jahren nicht dem geltenden Recht entspricht. Diese Haltung von Sauen ist erwiesenermaßen nicht verhaltens- und tiergerecht, insbesondere muss die Sau sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken können.

Aus Sicht des Bundesrates stellt perspektivisch der vollständige Verzicht auf Kastenstände und die schnellstmögliche Entwicklung von tiergerechten Alternativgliche Entwicklung von tiergerechten Alternativ–Systemen bei gleichzeitiger Reduktion möglicher Ferkelverluste –– den aus Tierschutzsicht besten Weg dar.


Deshalb:

Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass diese bedeutende, ressortübergreifende Angelegenheit vorab im Kabinett entschieden wird und beantragen Sie die Aufnahme eines entsprechenden Tagesordnungspunktes für die Kabinettsitzung vor der Bundesratssitzung!